Erinnerungen an die 5 emotionalsten Momente meiner Karriere

Simon Lizotte

© Discmania

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Mittwochabend, 12. Oktober. Ich sitze im Flugzeug nach Los Angeles und genieße den Ausblick über den Wolken. Es geht wieder zurück in meine zweite Heimat und ich bin begeistert. Allerdings bin ich diesmal (noch) nicht auf dem Weg zurück zur World-Tour und ihren Turnieren, sondern freue mich auf ein anderes ganz besonderes Ereignis. Ein Ereignis, bei dem ich heute schon weiß, dass ich mich mein Leben daran erinnern werde. An seine Momente und die damit verbundenen Emotionen – aber davon später mehr.

Apropos „Emotionen“: Das Team von Dreampions schlug vor, einmal in einem Artikel über die emotionalen Highlights meines bisherigen Lebens und meiner Karriere zu erzählen. Passt super zu meiner Stimmung. Also los geht es mit den 5 emotionalsten Momenten meiner Karriere in chronologischer Reihenfolge:

Highlight Nr. 1: Erstmals deutscher Meister
2009 gewann ich in Weilheim meine erste deutsche Meisterschaft. Ich war ein Jahr zuvor als 15-jähriger in die Erwachsenenklasse aufgestiegen und hatte schon in diesem ersten Jahr längere Zeit bei der deutschen Meisterschaft geführt, nur um kurz vor dem Ende noch eingeholt und auf den zweiten Platz verwiesen zu werden. Deshalb setzte ich mich bei meiner zweiten Teilnahme besonders unter Druck. Diese erste wichtige Meisterschaft, die ich gewann, war ein Riesenmoment und auch so etwas wie der Kickstarter für meine weitere Karriere, denn ich hatte mir selbst, den Gegnern und auch möglichen Sponsoren bewiesen, dass ich die Erwachsenen schlagen kann. Auch privat war es ein tolles Ereignis: Ich war gerade in die Oberstufe des Gymnasiums gekommen und meine Mitschüler merkten langsam, was ich so mache und welche Sportart ich betreibe. Als ich als deutscher Meister am Montag in die Schule kam, gratulierten mir alle begeistert und es machte mich schon stolz, nachdem ich vorher eher ein Exot gewesen war, der irgendwelche Frisbees durch den Wald wirft.

Highlight Nr. 2: Mein letzter Schultag
Wo wir gerade von der Schule sprechen: Es gibt ja Menschen, die gerne zur Schule gingen. Für mich war das nicht so und meine Eindrücke werden auch in der Erinnerung nicht besser. An jedem Tag war es eine riesige Überwindung für mich, dort wieder hinzugehen. Es lag gar nicht am Leistungsdruck oder dass ich zu schlecht war, mit meiner Abiturnote von 2,4 kam man ja durchaus zufrieden sein. Ich ärgerte mich einfach jeden Tag darüber, dass ich Dinge auswendig lernen musste, die allgemein unnötig waren und speziell für mein Leben irrelevant sein würden. Und Sachen, die mir nichts bringen, mache ich einfach nicht so gerne – das geht ja wohl vielen Menschen so. Dass Kinder Dinge lernen müssen, die sie nicht können oder die sie nicht können wollen, hat mich immer wieder neu genervt. Wenn man sich früher auf Talente und Interessen fokussieren könnte, wäre das aus meiner Sicht hilfreich – und damit meine ich nicht, dass Disc Golf Leistungskurs werden soll. Ich war von Mathe begeistert und an Geschichte weniger interessiert, Auswirkungen hatte das keine. Aber gut: Über dieses Thema werden sich ja genug Experten Gedanken machen – in jedem Fall war mein letzter Schultag eine riesige Befreiung für mich. Diese komplette Last, nicht mehr zur Schule gehen zu müssen, fiel von mir ab – der Moment war eigentlich noch besser als ein Turniersieg. Ein super Tag also.

Highlight Nr. 3: Europameister 2012 im Alter von 19 Jahren.
Aus irgendeinem Grund hatte ich mich für die in Essex (England) stattfindende Europameisterschaft nicht rechtzeitig angemeldet und hatte es nur dem Zufall und einer Absage zu verdanken, dass ich von der Warteliste gerade noch ins Teilnehmerfeld rutschte. Als „Strafe“ wurde ich in die erste Spielergruppe gesteckt, die um 7.30 Uhr in der Früh an der ersten Bahn Abwurf hatte. Ich bin deutlich kein Frühaufsteher, aber es stellte sich heraus, dass morgens perfektes Disc Golf Wetter herrschte, nämlich Sonnenschein und kein Wind. Als ich mit meiner Runde fertig war, begann der stürmische Regen, der mir erlaubte, am ersten Tag so einen großen Vorsprung herauszuarbeiten, dass ich davon die nächsten Tage zehren konnte und die EM mit einem Start-Ziel-Sieg gewann. Irgendwo war da eine höhere Macht beteiligt, die mich in die erste Startergruppe brachte und mir so den Sprung ermöglichte vom deutschen Meister zu einem Topspieler in Europa – was der Startschuss für meine internationale Karriere war.

Highlight Nr. 4: Ich bin Weltrekordler!
Im Oktober 2014 trat ich bei einem Weitwurfwettbewerb in der Nähe von Las Vegas an, bei dem es also nicht darum geht, mit den wenigsten Würfen das Ziel zu erreichen, sondern die mit einem Wurf erzielte Weite entscheidend ist. Mein bester Wurf landete nach 263 Metern, was zu diesem Zeitpunkt der weiteste Wurf war, den jemals ein Disc-Golfer geschafft hatte. Es war eine Weite, die für viele Menschen einfach unfassbar war, auch dass ich damit den alten Rekord um knapp 7 Meter übertraf war wie ein Quantensprung, so als wenn Usain Bolt den 100-Meter-Sprintrekord um fast eine Sekunde verbessern würde, also völlig unüblich in unserem Sport. Die Reaktionen auf meinen Rekord waren sehr vielschichtig: Einerseits große Anerkennung und Begeisterung, aber wie oft im Internet gab es natürlich auch Stimmen, die meinten, dass bei den Windbedingungen in der Wüste von Nevada jeder einen Weltrekord aufstellen könne. Nun, da es ja nicht „jeder“ geschafft hat, kümmerte es mich nicht weiter. Weltrekordler zu sein war die Erfüllung eines lang gehegten Traumes für mich, die mit 10.000 Dollar Bonuspreisgeld auch noch zusätzlich versüßt wurde. In den folgenden Wochen ließ ich es mir öfter mal gut gehen und habe das Geld in dem guten Gefühl rausgeballert, dass ich es mir mit meinem Rekordwurf selbst verdient hatte.

Highlight Nr. 5: Vater und Sohn Lizotte gewinnen die Konopiste Open 2016
Bei diesem Turnier in der Nähe von Prag war mein Vater zum ersten Mal bei einem der großen World-Tour-Events mit dabei, was ihm vorher wegen seines Jobs leider nie möglich gewesen war. Statt sich unter die Zuschauer zu mischen, unterstützte mich mein Vater als Caddy, der meine Tasche trug und mich auf den Runden begleitete. Es war schon ein besonderes Gefühl, dass wir während des gesamten Turnieres zusammen sein konnten, so wie es früher auf Jugendturnieren regelmäßig gewesen war. Gekrönt wurde dieses Gefühl dann noch davon, dass ich im Stechen siegte und somit meinen ersten World-Tour-Sieg einfahren konnte. Es war für uns beide eine unheimlich emotionale Erfahrung: Die Achterbahnfahrt während des Turnieres, wo ich mal führte, dann zurückfiel, letztlich wieder aufholte und das Turnier noch gewann – und all das in dieser einmaligen Konstellation, dass wir wieder zusammen unterwegs sein konnten. Mein Vater hat mich für Disc Golf begeistert, kennt meine Stärken wie kein anderer und weiß am besten, welche Art von Unterstützung ich auf einer Runde gebrauchen kann und welche eben nicht. Es war natürlich kein Zufall, dass ich ausgerechnet bei seinem ersten Turnierbesuch meinen ersten Sieg eingefahren habe. Mit seiner ruhigen Art hatte er großen Anteil an diesem Sieg. Es war die Gewohnheit und Sicherheit aus vielen, vielen gemeinsamen Runden der Vergangenheit. Und seine Anwesenheit hat mich natürlich auch angespornt, mein Bestes zu geben und ihn stolz zu machen.

Bei unterschiedlichen Menschen drücken sich Emotionen auf verschiedene Art aus: Manche weinen, wenn sie die Goldmedaille umgehängt bekommen, andere lauschen ergriffen der Nationalhymne, manche kriegen einfach das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht heraus und wieder andere behalten die Freude in ihrem Inneren. Ich bin allgemein ein ruhiger, ausgeglichener Mensch, norddeutsch vielleicht, und zeige selten überschwängliche Emotionen. Nach Turniersiegen entsteht bei mir meist eine Mischung aus Zufriedenheit und Stolz über die Leistung, aus Erleichterung, dem Druck standgehalten zu haben, und einer unheimlichen mentalen Müdigkeit. Die Freude ist auf jeden Fall da, aber mein größter Wunsch ist oft, mich erst mal hinzulegen und auszuschlafen, allein das Geschehene zu verarbeiten statt im Mittelpunkt zu stehen.

Highlight Nr. 6 – steht kurz bevor!
Am kommenden Wochenende wird dies allerdings anders sein. Avery und Leah feiern auf ihrer Ranch in Oklahoma ihre Hochzeit. Das ist die erste Hochzeit, an der ich teilnehme, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ich mich dort nicht früh hinlegen und stattdessen sogar einige Tränen vergießen werde. Allein schon der Gedanke an die Hochzeit bringt mir jetzt ein freudig-mulmiges Gefühl. Avery hat mir so viel geholfen auf meinem Weg, er und Leah sind so gute Freunde für mich geworden, dass ich mich einfach nur für sie freue. Natürlich freue ich mich auch, viele Freunde aus der Disc Golf Szene wiederzutreffen, nachdem ich die letzten Monate wegen meiner Verletzung ja nicht an Turnieren teilnehmen konnte.

Mit Averys und Leahs Familie zusammen zu sein und diesen Tag der Liebe mit ihnen zu teilen, das wird etwas ganz Besonderes werden. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass meine Liste der emotionalsten Momente nächste Woche um einen Moment länger sein wird – vielleicht sogar meine persönliche Nummer 1.

Alles Gute, Avery und Leah!








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