Ein Streifzug durch Jordanien und Syrien

Karim Ladak

© WitR

Heute erzähle ich von einer Reise in zwei außergewöhnliche Länder in Vorderasien, die ich im Sommer 2009 unternahm. Das war vor dem syrischen Bürgerkrieg, als es in der Region noch friedlich war. Beide Staaten beeindruckten mich sehr. Eine unvergessliche Reise.

Teil 1: Jordanien
Schon als ich in das Flugzeug der Fluggesellschaft Royal Jordanian betrat, wusste ich, dass ich an einen besonderen Ort reiste. Die Kabine war gemütlich, die Besatzung überaus freundlich – Modernität mit einem Spritzer des mittelöstlichen Flairs. Die Flugbegleiterin in ihrem traditionell bestickten langen Kleid servierte Sekt. Ost und West trafen sich in sprudelnder Glückseligkeit. Und dieses Gefühl begleitete mich während meines kompletten Aufenthaltes in Jordanien. Ein kleines Land mit sechs Millionen Einwohnern, das alles zu bieten hatte – von wundervollen Stränden über faszinierende Geschichte zu therapeutischen Behandlungen mit dem Salz des Toten Meeres. Als ich vom Flughafen in die Innenstadt von Amman fuhr, nahm ich wahr, wie weltlich die Stadt war. Einige Vororte waren voll mit reizenden weißen Kalkstein-Häusern der Reichen, einer gesunden Portion von Starbucks Cafés, Pizzerien, Kentucky Fried Chicken und anderen internationalen Ketten. Die Stadt beherbergt viele irakische und palästinensische Siedler und liegt in einer bergigen Gegend. Die Altstadt jedoch liegt in einer Senke.

Das erste, was ich tat, nachdem ich im Hotel eingecheckt hatte, war, zu einer Hertz Autovermietungsstation zu gehen. Die meisten Leute machen großen Wirbel um das Auto, das sie haben wollen. Ich nicht. Ich mache großen Wirbel um den Fahrer. Da das Auto nicht sprechen kann, ist es der Fahrer von dem ich nun alles über das Land erfahren wollte. Ich landete einen Volltreffer. Moen wurde in Kuweit geboren und hatte lange in Mississauga, Ontario, Kanada, gelebt. Nun wohnte er in Jordanien, um seine Wurzeln besser kennenzulernen. Ist das zu glauben? Er sprach fließend Englisch und redete ohne Punkt und Komma. Gemeinsam fuhren wir nach Gerasa und auf dem Wege dorthin sah ich die DVD von König Abdullah, eine sehr euphorische und lebendige Darstellung der Sehenswürdigkeiten in Jordanien. Er beginnt seine Tour auf einem Motorrad – alles sehr unternehmerisch und athletisch. Sehr informativ und unterhaltsam. Ein Muss für jeden, der sich für Jordanien interessiert. Die Ruinen von Gerasa befinden sich in einem entlegenen Tal inmitten des Gebirges Gilead. Angeblich ist es eine der komplettesten erhaltenen Beispiele römischer Provinzstädte. Sie erinnerte mich an Ephesos in der Türkei und Caesarea in Israel. Moen und ich aßen gemeinsam in einer kleinen Gasse in der Altstadt zu Abend. Genau wie die Einheimischen, auf Plastik-Gartenstühlen und in einem Restaurant ohne Toilette. Cool. Moen war überrascht, dass ich das Essen mochte und ich war überrascht, dass er dachte, ich könnte es nicht mögen. Er bestand darauf zu bezahlen. Keine Ahnung warum.

Am nächsten Tag fuhren wir nach Petra. Es ist eines der offiziellen Weltwunder und wurde zum Weltkulturerbe erklärt. Petra entzieht sich für mich jeder Beschreibung. Die beste, die ich stehlen kann, ist „eine rosarote Stadt, halb so alt wie die Zeit“. Es ist schlichtweg atemberaubend. Die Stadt wurde etwas im 6. Jahrhundert vor Christus von den Nabatäern geründet und besteht aus Sandstein, was es erlaubt hat, die Tempel und Grabmäler in den Sand zu schnitzen. Das Wort ehrfurchtgebietend bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Ich erinnerte mich daran, wie es war, als ich das erste Mal die Livingston-Fälle im Kongo sah. Ich war einfach überwältigt von der Schönheit und der Erhabenheit der Dinge um mich herum.

Nachdem ich 6 Kilometer gelaufen war und mir den Bauch beim Crown Plaza Mittagsbuffet vollgeschlagen hatte, blieb ich stehen, um einen alten Mann namens Ali zu grüßen. Ali hatte sein ganzes Leben in Petra verbracht, bis er aufgefordert wurde umzuziehen. Ich unterhielt mich ganze 45 Minuten mit ihm und verstand dabei, dass sich sein Leben sehr verändert hatte. Ein Beispiel: Die Tür, auf die wir beide blickten, war früher ein lokales Kleinkaufhaus, ein Tante-Emma-Laden für die Bewohner der Stadt. Heute konnten sie dort nicht mehr einkaufen. Als er eine hübsche Frau vorbeilaufen sah, sagte er, sie sei Russin und ja, er hatte Russisch lernen müssen, um heutzutage in Petra Geschäfte zu machen. Er war etwas irritiert, dass die Frau seinen Blick nicht erwiderte. Dann erzählte er mir, dass ich noch viel weiter laufen müsste, bis zum Kloster, um das „wahre“ Petra zu sehen. Das bedeutete wohl, dass ich mich nicht vor dem weiten Weg drücken sollte… Als ich mich verabschiedete, schenkte er mir ein wundervolles warmes, zahnloses Lächeln. Sehr charmant.

Teil 2: Syrien
Wo wir gerade von Charme sprechen: Damaskus hat mich komplett verzaubert. Nachdem ich in mein Hotel eingecheckt hatte (Die Hotels hier sind bescheidener und billiger als in Jordanien), ging ich wieder zur Hertz-Station. Nachdem ich eine Weile diskutiert und verhandelt und dabei 5 der Mitarbeiter sehr gut kennengelernt hatte (die Beziehungen sind hier entscheidend), fand ich einen großartigen Fahrer, Bassam. Er war ursprünglich aus Bosnien und lebte jetzt in Syrien. Wir fuhren gemeinsam in die Altstadt und gingen direkt zur Umayyaden-Moschee, um das Nachmittagsgebet abzupassen. Du musst wissen, dass es der Geburtstag des Propheten Mohammed war, und der Ort war mir randvoll mit Männern und Frauen in langen Gewändern, Kindern und Menschen in allen Altersklassen. Als ich in den Innenhof ging, weinte ich. Nicht aufgrund der einzigartigen Schönheit des Ortes, sondern weil ich wieder einmal daran erinnert wurde, was das Wort „Gemeinde“ wirklich bedeutet. Gemeinschaft. Das war ursprünglich die Kirche von John, dem Baptisten, später wurde sie in einen Muslimischen Gebetsort umgewandelt und erst kürzlich von den Osmanen rekonstruiert. Das ganze Erlebnis berührte mich zutiefst.

Der Souk, also das Handelsviertel, von Damaskus versetzte mich in eine Art Trancezustand. Wie im Rest der Stadt gibt es auch hier überall wunderbare Gerüche. Die Geschäfte sind mit einer größeren Auswahl an Süßigkeiten gefüllt, als ich sie je gesehen habe, mit mehr Gewürzen, als ich dachte, dass sie existieren würden, mehr Größen und Formen von Rosenkränzen als ich mir vorstellen konnte. Alles war gefüllt mit einer Energie von Trubel, Geschäftigkeit, Handel, Schubsen, Schieben, Ziehen, Rufen, Lachen – es passte perfekt zur geselligen Stimmung. Ich konnte nicht anders, als das alles mit dem Weihnachtstag in Toronto zu vergleichen, wenn die Straßen ruhig liegen und die Menschen zu Hause bei ihren Familien und Freunden sind, die knisternden Kaminfeuer genießen, Truthahn, Geschenke und Weihnachtsglöckchen. Wir spazierten durch den Souk und nahmen die Geräusche und die wunderbaren Eindrücke von den Menschen in uns auf. Danach besuchte ich ein Hamam. Diese alte Tradition des Schwitzens und Einweichens und der Säuberung nimmt sehr verschiedene Formen an in der Türkei, in Ungarn, Finnland und auf dem ganzen Kontinent. In Russland gibt es das Banja, ein Ritual, über das ganze Bücher geschrieben wurden. Bei mir beschwört die Worte „Sauna“ oder „Dampfbad“ inzwischen Gedanken an eine Vielzahl von Kulturen und Praktiken herauf. Nach dem Hamam ging ich zum Damaskus-Berg, um zu Abend zu essen, und als ich nach unten auf die Stadt schaute, wurde mir klar, warum sie für viele so kostbar war: Sie sah aus wie ein Juwel.

Am nächsten Tag fuhren wir nach Palmyra, einer Ruinenstadt, die in ihrer Schönheit und ihrem kulturellen Erbe immer wieder mit Petra verglichen wird. Aber man vergleicht auch Cleopatra und die Königin Zenobia und diskutiert, wer von ihnen in Kamelmilch gebadet hat. Mir ist das egal, denn ich mag keine Milch. Ich mag den fettfreien Joghurt von Danone, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Durch Syrien und sein Hinterland zu reisen rief in mir gemischte Gefühle hervor. Auf der einen Seite sah ich ein Schild auf dem stand „Bagdad Café“ mitten im Nirgendwo. Ich fühlte mich an die amerikanische Sitcom aus den 90er Jahren mit diesem Titel erinnert. Dann sahen wir eine Gazprom-Anlage, die die ganze Macht und die Reichweite der Ölindustrie bis in den letzten Winkel demonstriert. Dann wieder gab es Autobahnschilder, die nach Beirut und Bagdad wiesen, Städte, die in nur wenigen Stunden erreichbar sind. Verblüffend. Wir fuhren auch nach Krak des Chevaliers, die Burg der Ritter, die von T.E. Lawrence (aus Arabien) als „die vielleicht am besten erhaltene und in ihrer Gesamtheit zu bewundernde Burg der Welt“. Weiter nach Salamiyya, eine ältere Stadt mit byzantinischen Wurzeln, in der ich Freunde traf, die uns die Arbeit des Aga Khan Development Network, einer nicht-staatlichen Entwicklungshilfeorganisation und weltweilt größten NGO, zeigten. Sehr eindrucksvoll.

Meine ganze Reise nach Syrien hinterließ in mir den großen Wunsch, eines Tages zurückzukehren und noch mehr zu entdecken. Leider werde ich auf die nächste Gelegenheit einer friedlichen Reise wohl noch etwas warten müssen.


Weiterlesen:
Hier geht es zu Karims Artikel über einen unvergesslichen Tag in Bukarest.
Auch von Karim: „Ein surreales November-Wochenende in Kamtschatka“.

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