Vom Mobbing-Opfer zum Transgender-Model

Wie Calina (17) im anderen Geschlecht als Model durchstartet


© Ivanie Ngo

Der Modeltraum im falschen Körper
Viele junge Mädchen haben den Traum als Model durchzustarten, so auch Calina Frank aus Gelsenkirchen. Jedoch wurde die junge Frau als Calvin geboren und musste sich schon früh gegen Vorurteile wehren. Im Folgenden gibt Calina einen Einblick in ihr Privatleben und erzählt von ihrem Weg zum Model. Mit ihrer Geschichte möchte sie anderen Menschen den Mut machen, ihren Traum trotz aller Schwierigkeiten zu verfolgen.


Die Verwandlung
Schon seit klein auf wusste ich, dass ich vor der Kamera stehen möchte. Ich habe mich geschminkt, verkleidet und vor dem Spiegel in meinem Kinderzimmer das Posen geübt.

Mit zwölf habe ich begonnen, in Musicals mitzuspielen. Unter anderem war ich Darsteller bei dem Stück „Geist der Weihnacht“. Dabei verkörperte ich Bob, einen Jungen. Unabhängig vom Geschlecht mussten im Rahmen der Vorführungen alle Darsteller geschminkt werden.

„Ich bemerkte, wie sehr es mir gefiel, mich zu verändern und in eine andere Rolle zu schlüpfen. Dabei war mir noch nicht bewusst, dass ich im falschen Körper geboren wurde.“

Mit der Zeit bemerkte ich, dass ich viel lieber in der Frauenabteilung shoppen ging, und der Junge in mir verschwand Schritt für Schritt. Ich wusste erst nicht, wie ich diese Gefühle einordnen sollte. MIr war zwar bewusst, dass ich kein „normaler“ Junge bin, aber ich verdrängte vorerst meine Gedanken. In meinem Umfeld blieb das nicht unbemerkt. Also begleitete mich meine Mutter zu einem Psychologen, der mir nach langen Gesprächen bestätige, was ich im Innersten bereits wusste: Ich war im falschen Körper geboren worden. Fortan gestand ich mir ein, als Frau leben zu wollen, und begann nach Begriffen wie „Transgender“ im Internet zu suchen. So entdeckte ich auch das Transgender-Model Andreja Pejic, das mich dazu inspirierte, genau wie sie als Frau zu modeln. (Andreja Pejic ist eines der weltweit erfolgreichsten Transgender-Models. Mit 17 Jahren wurde sie entdeckt und ergriff ihre Chance. Anfang 2013 ermöglichte ihre Modelkarriere ihr die finanziellen Mittel, um eine lang geplante geschlechtsangleichende Operation vorzunehmen, und aus Andrej wurde Andreja.)

Anfangs verheimlichte ich meine Pläne vor meiner Mutter – aus Angst, sie würde es mir verbieten. Also wendete ich mich zuerst an meine Großmutter. Sie hat immer ein offenes Ohr und unterstützt mich bei allem.

Erst als ich meinen ersten Modelvertrag unterschrieb, erzählte ich es auch meinen Freunden und der restlichen Familie. Ich wollte mir erstmal selbst beweisen, dass ich mir meinen Traum verwirklichen kann – und zwar ohne, dass mir jemand reinredet.

Der Weg zum Model
Ich suchte online nach Modelagenturen in NRW und stellte mich bei diversen vor. Fünf Monate lang bekam ich nur Absagen, da mein Typ für die meisten Agenturen nicht kommerziell genug war. Doch ich gab meinen Traum nicht auf und versuchte es immer weiter. Im August 2015 fand ich dann heraus, dass ein offenes Casting einer Kölner Modelagentur stattffand. Also fuhr ich nach Köln und musste mich gegenüber ungefähr 250 Mitstreitern beweisen. Das Casting war sehr mühsam, doch ich konnte die Agentur letztendlich von mir überzeugen. Diese bot mir einen Modelvertrag an und versicherte mir, mich trotz meiner ungewöhnlichen Situation dabei zu unterstützen, mir meinen Traum zu verwirklichen.

Direkt eine Woche später hatte ich dann mein erstes Testshooting und mir wurde meine erste Sedcard erstellt. Die Agentur vermittelte mir mehrere Kontakte. So kam es, dass der Beginn meiner „Modelkarriere“ vom Fernsehsender SAT1 begleitet wurde. Der Sender berichtete auch über meine ersten Laufstegversuche, die mir die Möglichkeit gaben, mich komplett als Frau darzustellen. Die Beiträge wurden dann später im Frühstücksfernsehen ausgestrahlt. Das gab mir Kraft, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl akzeptiert zu werden. Daraufhin folgten weitere Beiträge, wie zum Beispiel in der Bild oder auf RTL exclusiv.

„…man kann alles schaffen, wenn man es nur will.“
Ich musste feststellen, dass die Modelwelt sehr konservativ ist, und habe viele Niederlagen einstecken müssen. Im Mai 2016 fuhr ich auf eigene Faust nach Berlin, um an Castings für die Berlin Fashion Week teilzunehmen. Im Schnitt besuchte ich dort täglich 15 Castings, und das vier Tage hintereinander. „Wir können hier doch keinen Mann in Frauenkleidern laufen lassen“, wurde mir oft gesagt. Der grobe Umgangston und diese Oberflächlichkeit waren mir bis dahin fremd. Der Druck war unglaublich hoch, da bei den Castings viele hübsche Mädchen waren, die ebenfalls Potenzial hatten und nach Jobs suchten. Zum ersten Mal kam mir der Gedanke, meinen Traum, als Frau zu modeln, aufzugeben. Dass diese Branche oberflächlich ist, war mir zwar vorher schon bewusst, vorbereitet war ich darauf aber nicht. Man braucht definitiv ein dickes Fell.

Ich habe mir immer gesagt: „Das hat nichts persönlich mit mir zu tun. Ich passe einfach nicht ins Schema des Designers, da ich spezieller bin, als die meisten Models.“ In solchen Momenten denke ich an Andreja Pejic und an ihren Weg. Es werden immer wieder neue Hürden aufkommen, die es zu meistern gilt.


„Wenn ich als Frau über den Laufsteg gehe, vergesse ich, dass ich körperlich noch ein Mann bin.“

Ich glaube fest an meinem Traum, denn das Modeln steigert mein Selbstwertgefühl. Es bedeutet für mich, wieder an mich zu glauben und mich selbst zu lieben.

Die alltäglichen Sorgen...
Durch das Modeln habe ich gemerkt, wer meine wahren Freunde sind, denn viele Neider haben mir den Erfolg nicht gegönnt. Dennoch erfahre ich inzwischen bei meinen Mitschülern und Lehrern eine gewisse Art der Akzeptanz. Ich darf zum Beispiel die Mädchen-WCs und die Damenumkleide in der Schule nutzen.

Und jetzt?
In der Zukunft möchte ich zunächst meine Schule abschließen. Sobald ich volljährig bin, werde ich mich einer geschlechtsangleichenden OP unterziehen. Das steht für mich an erster Stelle, um mich auch voll und ganz als Frau fühlen zu können. Auf diesem Weg werde ich von einem Kamerateam des ZDF begleitet, so dass man meine Geschichte weiter verfolgen kann. Damit möchte ich andere Menschen ermutigen, stets an ihre eigenen Träume zu glaube, selbst wenn der Weg auch noch so schwer erscheint. Ich weiß jetzt, wie das Business läuft und was von einem Model verlangt wird. Vor allem habe ich gelernt, dass einiges mehr nötig ist, als nur ein hübsches Gesicht und lange Beine. Man muss selbstbewusst auftreten und sich gut verkaufen können. Daran werde ich auch in Zukunft mit aller Kraft arbeiten.

Calina Frank

Hier noch ein Beitrag auf dem Sat1 Frühstücksfernsehen: „Mädchen oder Junge?“










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