Ungewollte Auszeit
© Discmania
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Wie in jedem Sport gehören Rückschläge auch beim Disc Golf dazu. Eine falsche Bewegung gepaart mit einer Prise blödem Zufall, und man ist für Wochen oder Monate außer Gefecht gesetzt. Dann heißt es, einen Gang zurückschalten und aus den eigenen Fehlern lernen.
Irgendwann erwischt es jeden
Ehrlich gesagt wundert es mich, dass ich so lange von Verletzungen verschont geblieben bin. Nach jeder Saison, die ich ohne Unterbrechung durchspielen konnte, schaue ich zurück und frage mich: Wie zur Hölle hab ich das geschafft? Und bisher hatte ich wirklich das Glück, dass ich noch keine schlimmeren Verletzungen ertragen musste.
Dass dies nicht ewig so bleiben kann, war mir schon klar. Im ersten Moment klingt es wahrscheinlich seltsam und übertrieben nachdenklich, wenn ich sage, dass ich keine 16 mehr bin. Klar zähle ich mit 23 Jahren auch noch lange nicht zu den ältesten in meinem Sport, trotzdem merke ich es jedes Jahr mehr. Früher hat es gereicht, mich vor Turnieren und Workshops ein paar Minuten lang aufzuwärmen, einige Probewürfe zu machen und danach einfach loszulegen. Heute genügt das nicht mehr, und während meines letzten Finnland-Aufenthalts ist mir das nun schmerzlich bewusst geworden.
Was ist passiert?
Neben den Preisgeldern während der Turnier-Saison verdiene ich mir einen Teil meines Lebensunterhalts mit Workshops für interessierte Disc Golf Spieler, und diesmal war ich zusammen mit einem Kollegen in Finnland unterwegs. Nirgends wächst der Sport so rasant wie dort. Jede Woche schießen im Durchschnitt zwei neue Parcours aus dem Boden, 500 sind es mittlerweile. Da bot es sich natürlich an, den Finnen wieder einmal einen Besuch abzustatten. Fünf Wochen mit 14 Workshops standen auf dem Plan, und bis zum 13. Workshop ging auch alles gut. Sogar noch bis zum letzten Wurf. Die meisten Leute kommen nämlich hauptsächlich zu diesen Veranstaltungen, weil ich für meine Weit- und Geschwindigkeitswürfe bekannt bin. Sie wollen live sehen, wie ich es schaffe, 160 Meter mit meiner Scheibe zu überwinden oder sie mit über 100 km/h in den Speedmesser fliegen zu lassen..
Der letzte Wurf an diesem Tag ging allerdings gründlich daneben. Ich war schon etwas unkonzentriert und wahrscheinlich auch ein bisschen müde, weshalb ich den Bewegungsablauf einfach falsch eingeschätzt habe. Mitten im Wurf ist mein Bein in sich zusammengeklappt, ich bin hingefallen und habe ein Geräusch gehört, das man als Sportler niemals in seinem Körper hören möchte.
Und die Diagnose?
Zunächst ging es mir noch gar nicht so schlecht. Es tat zwar weh, doch ich konnte wieder aufstehen und den Workshop beenden. Am nächsten Tag sind wir dennoch ins nächste Krankenhaus gefahren. Leider befanden wir uns zu diesem Zeitpunkt im kaum besiedelten Norden Finnlands und es fehlte an Equipment, um eine genaue Diagnose zu stellen. Die Ärztin meinte bloß, es sei wohl nicht ganz so schlimm, ich sollte es aber in Deutschland dringend überprüfen lassen. Meinen letzten Workshop hielt ich ab, ohne einen einzigen Wurf zu tätigen. Stattdessen bot ich persönliche Coachings an und erklärte den Anwesenden mehr, als dass ich etwas vorführte.
Einen Tag nach meiner Rückkehr nach Bremen suchte ich meinen Hausarzt auf, der sofort eine MRT anordnete. Ich hatte ziemliche Angst vor dem Ergebnis – was, wenn der Meniskus betroffen war? - und atmete deshalb erleichtert auf, als ich erfuhr, dass es gerade noch mal glimpflich ausgegangen ist. Das vordere Kreuzband ist zwar gezerrt und weist kleinere Anrisse auf, eine OP ist aber nicht nötig. Stattdessen soll ich dem Knie viel Ruhe gönnen, es jedoch nicht völlig ruhigstellen. Krankengymnastik steht nun auf dem Plan. Das Blöde an der Geschichte: Die European Masters Ende des Monats in Stockholm kann ich jetzt natürlich vergessen.
Was sagt die Psyche dazu?
Ich muss zugeben, dass ich in Bezug auf meine Probleme schon immer sehr realistisch war. Es gibt unzählige Menschen, die gern mit mir tauschen und ihre Sorgen gegen meine tauschen möchten. Ein gezerrtes, angerissenes Kreuzband – so etwas verheilt. Natürlich muss ich jetzt langsam machen und aufpassen, dass es nicht völlig reißt, denn sonst kann ich auch die Weltmeisterschaft im August in der Nähe von Kansas City streichen. Aber so eine Verletzung ist kein Weltuntergang. Obendrein gibt sie mir die Chance, viel Zeit mit meinen Eltern und Freunden zu verbringen. Es wäre übertrieben, jetzt den Kopf hängen zu lassen.
Höhen und Tiefen gehören im Sport eben dazu, das ist mir bewusst. Solange ich mein Bestes auf dem Parcours gebe und mich von negativen Gedanken nicht beeinflussen lasse, gehen auch die Tiefs vorüber. So wie dieses jetzt vorübergehen wird und mir gezeigt hat, dass ich eben keine 16 mehr bin.
Hoffentlich klappt es mit der WM und ich freue mich schon jetzt auf die nächste Turniere und Workshops, auch und ganz besonders wenn es bald wieder nach Finnland geht.
Bis bald - hoffentlich seid ihr auch bei meinem nächsten Beitrag auf Dreampions dabei, der Anfang August erscheinen wird. Wenn ihr Lust habt, schaut vorher gerne auf meinem
Autorenprofil vorbei, auf dem ihr einige Videos findet.