Klavierspielen lernen mit Mitte 30 – eine Schnapsidee?


© AGcuesta

Man sagt Musik sei der Schlüssel zur Seele. Manche Arten von Musik haben mich schon als Kind fasziniert. Ich war ein temperamentvolles Kind, doch bei Orgel- und Klaviermusik konnte ich stundenlang stillsitzen und zuhören. Doch auf die Idee ein Instrument zu lernen kam ich nie.

Ich erinnere mich noch an diesen Moment während einer Reise. Ich war Anfang 20 und mit Freunden unterwegs. In einer kleinen Pension stand ein Klavier in der Lobby. Einer der Gäste nutzte die Gelegenheit und spielte Popsongs auf dem Klavier. Wow, die Kombination aus Melodien, die ich mochte, und dem Klang des Klavieres hatte eine unbeschreibliche Wirkung auf mich. Ich hatte Gänsehaut und Tränen in den Augen. Meine Freunde wollten irgendwann weiter und die Stadt erkunden. Doch ich war wie magisch angezogen. Diese Musik traf mich tief im Inneren.

Reisen gehen zu Ende und der Alltag übernimmt schnell. Das Klavierspiel wurde zu einer besonderes Erinnerung – mehr nicht.

Etwa 15 Jahr später. Ich hatte inzwischen Kinder und wollte meinen Ältesten gern in seiner Begeisterung für Musik unterstützen. Also vereinbarten wir Unterricht in der Musikschule – Schlagzeug. Er war begeistert, genau bis zur ersten Stunde nach Ablauf der „Testphase“. Dann wollte er unter keinen Umständen weitermachen und ich stand da mit einem Ein-Jahresvertrag. Es half nichts. Mit Zwang ist die Liebe zur Musik wohl kaum zu vermitteln. Also versuchte ich, mit dem Leiter der Musikschule zu verhandeln. Er verstand die Situation, doch seine Antwort auf meine Frage nach Stornierung des Vertrages war nicht zu ändern: „Nein.“ Keine Lösungsvorschläge? Ich würde ein Jahr zahlen, ohne auch nur einen musikalischen Vorteil daraus ziehen zu können? „Vielleicht wollen Sie ja gern selbst Unterricht für ein Instrument nehmen?“ Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hörte mich nur sagen „Naja, ich wollte schon immer Klavier spielen lernen.“ Was? Woher war der Satz denn gerade hergekommen? Ich war kein Kind mehr, konnte keine Noten lesen, hatte kein Klavier, hatte meine Kinder und nicht sehr viel Zeit.

Die erste Stunde war schnell vereinbart – ich würde es einfach ausprobieren. Eine entspannte Lehrerin in meinem Alter gab mir die ersten Tipps und ein paar einfache aber eingängige Melodien zum üben. Üben? Naja, wir hatten ein Keyboard für Kleinkinder. Für die ersten Fingerübungen reichte es. Es machte mir Spaß. Nach ein paar Wochen entschloss ich mich, ein Mietklavier zu testen. Für einen geringen monatlichen Beitrag hatte ich nun ein Klavier im Haus und konnte öfter üben. Die Dinge entwickelten sich und ich probierte, einen Popsong nach dem anderen zu spielen.

Im Nachhinein habe ich gelernt, dass Erwachsene Instrumente häufig schneller lernen als Kinder. Wer Lesen und Schreiben gelernt hat, vielleicht auch noch in einer Fremdsprache, wird am Notenlernen nicht scheitern. Und die Motorik ist schon ausgereift, was es einfacher macht, die neuen Bewegungen zu erlernen. Die Klavierlehrerin war sehr hilfreich für mich. Allein hätte ich nie begonnen und sie hat mir oft mit einfachen Tipps geholfen, schnell einen guten Klang zu erzeugen.

Inzwischen habe ich ein eigenes Klavier, die Familie singt sogar ab und zu bei meiner Version von „Yesterday“ mit. Und manchmal (wenn die Fingerbewegung allmählich in Fleisch und Blut übergehen) habe ich wieder dieses Glücksgefühl, das der Klang des Klaviers damals auf der Reise in mir auslöste. Allein dafür hat es sich gelohnt.









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