Januar – Wehmut und Glück

Anna Budeyri

© Anna Budeyri

Nach den eher euphorischen Beiträgen der letzten Monate schreibe ich diesmal einige nachdenkliche Zeilen. Im Januar war ich für zehn Tage in meiner Heimatstadt Moskau, um nach längerer Zeit meine Familie und Freunde wiederzusehen. Auf dem langen Rückflug nach New York nutzte ich die Zeit, um über einige Beobachtungen nachzudenken.

Was mich am meisten überrascht hat: Es hat sich in meiner alten Heimat eigentlich überhaupt nichts verändert in den letzten sechs Monaten. Alles schien noch genauso zu sein, wie ich es zurückgelassen hatte. Es fühlte sich gar nicht so an, als wäre ich schon sechs Monate nicht mehr da gewesen. Ich hatte wohl irgendwie erwartet, dass ich auf neue Geschäfte, neue Angebote oder sonst etwas Neues stoßen würde. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass es spannender gewesen wäre, die zehn freien Tage in New York zu verbringen, wo es so viel gibt, was ich noch entdecken will. Ich werde in der Zukunft wohl mindestens ein Jahr verstreichen lassen, bevor ich mich wieder auf die Reise mache, damit ich die Chance habe, wirkliche Veränderungen zu sehen.

Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass ich noch sehr viele Freunde in Moskau habe. Es wurde mir schmerzlich klar, dass ich wohl in der Zukunft zu vielen meiner Freunde keinen so engen Kontakt mehr würde pflegen können wie ich es in der Vergangenheit getan habe. Ich werde wohl einige von ihnen ziehen lassen müssen. Es ist fast unmöglich auf lange Zeit mit vielen eine enge „Fern“-Freundschaft zu führen. Ich muss mich darauf vorbereiten, dass mir einige meiner Freunde in den nächsten fünf Jahren fremd werden. Das stimmt mich extrem traurig, aber es erscheint mir als die einzige realistische Möglichkeit, denn ich weiß, dass mit der Erfüllung meines Traums auch Entscheidungen, Trennungen und Härten verbunden sind. Gleichzeitig bin ich fest entschlossen, alles zu unternehmen, um die Freundschaften, die ich wirklich aufrechterhalten will, auch zu pflegen – egal, wo wir leben. Das gilt natürlich insbesondere für meine Eltern. Es ist mir sehr wichtig, auch in Zukunft den engen Kontakt zu ihnen zu behalten – trotz der großen Entfernung.

Die Reise hat mich außerdem an eine gewisse „Infrastruktur“ meines Lebens erinnert, die ich hatte, als ich noch in Moskau lebte. Damit meine ich einen Freundeskreis, eine Reihe von Aktivitäten, die ich regelmäßig unternahm, und bestimmte Orte, die ich immer wieder besuchte. Bisher habe ich mir noch keine vergleichbaren Gewohnheiten in New York City aufgebaut. Wenn ich ehrlich bin, lebe ich hier immer noch mehr wie eine Touristin und unternehme spontan, wonach mir gerade der Sinn steht. Um mich hier wirklich richtig zuhause zu fühlen, muss ich mich bewusster bemühen, mir auch hier ähnliche Routinen zu suchen, wie z.B. ein Fitness-Studio und einen stabilen Freundeskreis, und gleichzeitig die Spannung für das Neue beizubehalten.

Trotz aller Wehmut hat sich für mich durch meine Reise aber auch zum wiederholten Male bestätigt, dass ich mit meinem Umzug nach New York City die richtige Entscheidung für mich getroffen habe. Seit ich wieder hier bin, fühle ich mich wohl und alles scheint wieder Sinn für mich zu machen. Ich fühle mich lebendiger und zuversichtlicher mit jedem Tag, den ich hier verbringe. Mit diesem Lebensgefühl scheine ich mein Umfeld anzustecken, und das tut mir gut.










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